Folge 2: "Das Aggerstögger Pöödche"

„Et Laijemöbbesje erzählt“

Das „Aggerstögger Pöödche“

Gude ihr Leut,

als ich vor kurzem einige verwandte Laijemöbbesjer am Mittelberg besucht habe, fiel mit ein recht neues Hinweisschild ins Auge. „Aggerstögger Pöödche“ stand dort in großen Buchstaben auf einer Holztafel eingraviert. Sofort kamen alte Erinnerungen in mir hoch. Erinnerungen an eine Zeit in welcher dieser Pfad täglich von zahlreichen Menschen genutzt wurde. In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, bis in die 1960er Jahre gehörte das „Aggerstöcker Pöödche“ zum täglichen Arbeitsweg zahlloser Bürger aus den Höhengemeinden von Prath, Lykershausen und auch Dahlheim. Im Zuge der einsetzenden Industrialisierung und dem Bau der rechtsrheinischen Eisenbahnlinie zwischen Koblenz und Wiesbaden eröffnete sich für viele Menschen plötzlich die Möglichkeit eines neuen Broterwerbs in den Fabriken und Firmen der näheren und weiteren Umgebung. Auch die Einwohner der Höhengemeinden, die bis dahin vor allem von der Landwirtschaft gelebt hatten, nutzten die Möglichkeiten welche die Eisenbahn als Transportmittel bot, und stiegen früh morgens zum Kesterter Bahnhof hinab, um spät abends nach getaner Arbeit wieder nach Hause zu laufen. Für Viele endete der Arbeitstag dann aber noch lange nicht. Denn auch zuhause noch das Vieh versorgt, oder der Acker bestellt werden.

Da der Weg über das Ackerstück eine beliebte Abkürzung für den täglichen Arbeitsweg darstellte, wurde gerade das „Aggerstöcker Pöödche“ auch dementsprechend frequentiert. Gerade in der Winterzeit war es natürlich morgens noch dunkel. Um auf dem nicht immer einfach zu begehenden Weg nicht zu stürzen, nutzten viele Arbeiter aus den Höhengemeinden alte Karbid-Lampen , wie sie z.B. in den Ehrenthaler Gruben zum Einsatz kamen, um sich den Weg etwas zu erhellen. Da sie diese aber nicht unbedingt auch noch mit zur Arbeit schleppen wollten, versteckten sie ihre Lampen irgendwo in den Ritzen und Nischen der Wingertsmauern am Ausgang des „Aggerstöcker Pöödchens“. Für die frechen Kesterter Buben waren diese Lampen, und vor allem das darin vorhandene Karbid natürlich ein schönes Spielzeug. Wie oft musste ich mich in die Tiefen meiner Mauern zurückziehen, wenn wieder einmal der dumpfe Knall einer zerplatzenden Karbid-Wasserflasche durch das Tal hallte. Aber es waren halt eben Buben. 

Übrigens mussten auch die Vertreter meiner Spezies mehr als einmal dafür herhalten, um als unliebsame Abend-Überraschung in den ebenfalls am Ausgang des „Pöödchens“ deponierten schweren Bergschuhen der Arbeiter platziert zu werden. Diebisch freuten sich dann die „Pänz“, wenn die erschöpften Männer abends ihre Schuhe für den bevorstehenden Aufstieg wechselten… 

Auch wenn die Zeit sicherlich beschwerlicher war als heute, so gab es doch ab und an auch mal etwas zum Schmunzeln. Wenn auch in diesem Fall eher für die Kesterter Jugend.

In diesem Sinne… Ich hoffe Sie bleiben mir treu.

Ihr Leijemöbbesje    

 

Heimatverein Kestert 2015 e.V.