Folge 12: „Die Salziger Reede“

„Et Laijemöbbesje erzählt…“

„Die Salziger Reede“

Gude ihr Leut,

vergangenen Sonntag war ich durch Zufall in der Nähe des „Nadenkopfes“ unterwegs. Jener vorspringenden Felsnase mit dem kleinen Aussichtpunkt, welcher seit den 1920iger Jahren auch auf den Namen „Hindenburghöhe“ hört. Eigentlich ist es nicht möglich dort vorbei zu gehen, ohne einen kurzen Abstecher an den Fahnenmast zu machen, der imposant ganz nahe am Abgrund zum Rheintal seinen Platz gefunden hat. Da niemand in meinem gemütlichen Heim in der alten Wingertsmauer auf mich wartete, sprang ich die wenigen steilen Stufen zur Hindenburghöhe hinab. Voller Vorfreude auf das Bild, was mich erwartete. 

„Welch schöne Aussicht“ dachte ich mir noch, und ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen. An dem schräg gegenüber liegenden Ort Bad Salzig blieben meine Augen schließlich hängen. Nur ein kleines Tankmotorschiff lag an der dortigen Reede vor Anker. „Was war dort früher alles los gewesen“, dachte ich so im Stillen bei mir. Über 100 Ankerplätze bot die Reede von Bad Salzig noch  in den 1960er Jahren. Da die Gebirgsstrecke zwischen St. Goar und Bingen seinerzeit nur mit vier Anhängen befahren werden durfte, mussten Schleppzüge in Bad Salzig geteilt werden. Aber auch der schon immer stark schwankende Wasserstand des Rheins schaffte den dort ansässigen Umlade-Unternehmen Arbeit, denn bei niedrigen Pegelständen wurden zahlreiche Schiffe an der Reede von Bad Salzig geleichtert. Bis zu 200 Tonnen Fracht wurden dort täglich, teilweise mit Kränen, teilweise aber auch per Hand von den „Salziger Murksern“ auf andere Schiffe umgeladen, um den Tiefgang der jeweiligen Kähne zu reduzieren. Auch viele Kesterter Männer fanden als Tagelöhner dort ihren Unterhalt.

Da zudem die Durchfahrt durch die Gebirgsstrecke um die Loreley nach Einbruch der Dämmerung ohne Radar und Rheinfunk damals noch nicht möglich war, ankerten die Schiffer nachts zwischen Bad Salzig und Kestert. Noch heute klingt mir das Rasseln der Ankerketten in den Ohren, welches noch bis vor wenigen Jahrzehnten allabendlich durch das enge Tal grollte. 

Das war dann auch die Möglichkeit für die beiden Kesterter Proviantboote etwas Geld zu verdienen, und die Schiffersleut mit den Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Auch die Kneipen waren damals noch gut besucht, denn nach dem eintönigen Alltag und der Enge auf den Schiffen, waren die Schiffersleut dankbare Abnehmer von allem was Keller und Küche zu bieten hatte. Und auch die Fröhlichkeit kam dabei nicht zu kurz. Zumal es damals wie heute auch viele schöne Mädchen in den kleinen Dörfern am Rhein gab.

Nach dem 2. Weltkrieg, in dem die Salziger Reede ab 1944 immer wieder das Ziel amerikanischer Jagdbomber war, welche unter den dort so zahlreich vor Anker liegenden Schiffen reichlich Beute fanden, nahm das Geschäft mit dem Leichtern und Teilen der Schiffe langsam ab. Zunehmende Technisierung der Schifffahrt, der Wegfall der großen Schleppverbände und die Ausbaggerung der Fahrrinne sorgten dafür, dass immer weniger Schiffe nachts ihren Ankerplatz vor Bad Salzig suchten. Heute ist dieser Bereich einer der wenigen in unserer Region, der für das Ankern von Schiffen mit Gefahrgutbeladung zugelassen ist.

Etwas wehmütig machte ich mich schließlich auf den Heimweg. Doch bei dem Gedanken an die vielen Geschichten und an die lustigen Schiffersleut, huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Wer weiß; vielleicht muss ich auch dazu nochmal eine kleine Geschichte verfassen…

In diesem Sinne…

Ich hoffe sie belieben mir treu.

 

Ihr Laijemöbbesje    

 

Heimatverein Kestert 2015 e.V.