Folge 16: „Die Kesterter Katzeköpp“

„Et Laijemöbbesje erzählt“

„Die Kesterter Katzeköpp“

Gude ihr Leut,

Vor wenigen Wochen wurde ich am frühen Abend in meiner kleinen Laijemöbbesje-Wohnung in der alten Wingerstmauer oberhalb von Kestert durch einen lauten Knall aufgeschreckt. Drei donnernde Schläge hallten durch das Rheintal. Nachdem ich mich etwas sortiert hatte, fiel es mir wieder ein; in Kestert hatte die Zeit der Nachbartage begonnen. Traditionell wird dabei die Ernennung der neuen Nachbarmeisterpaare mit dem Abschuss der „Katzeköpp“ bekannt gemacht.

Diese drei kleinen Böller-Kanonen, welche in vielen Rheingemeinden noch vorhanden sind, haben durchaus eine lange Geschichte. Ich kann mich noch genau erinnern. Es war im Jahr 1866, als mit dem Ende des Deutsch-Deutschen-Krieges, und der damit verbundenen Annektion des Herzogtums Hessen-Nassau  durch das Königreich Preußen die „Katzeköpp“ erstmals urkundlich erwähnt wurden. Aus Grauguss gefertigt, sollten sie fortan alle gesellschaftlichen Ereignisse in Kestert mit ihrem Donnern begleiten. Neben diversen staatlichen Feierlichkeiten, waren dies schon immer die dörflichen Feste, wie eben die Nachbartage, die St. Georgs-Kirmes oder Vereinsjubiläen. Immer verkündeten drei laute Schläge den Menschen nah und fern, dass in Kestert wieder einmal etwas gefeiert wurde.

Dies blieb bis zum Ende des 2. Weltkrieges so. Die danach von den Besatzungstruppen angeordnete Abgabe aller Schusswaffen und –apparate „überlebten“ die Kanonen versteckt im damaligen Schulkeller. Nach dem Krieg wurden die „Katzeköpp“ wieder aktiviert. Geladen mit Schwarzpulver, welches auch zum Sprengen von Pflanzlöchern genutzt wurde, wurden sie seinerzeit noch mit einer Lunte gezündet, welche am Ende einer langen Stange befestigt war. 

Doch irgendwann, gegen Ende der 1960er Jahre, wurde es wieder still um die Kanonen. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie waren plötzlich verschwunden. Das regelmäßige Schießen an wichtigen Festtagen übernahm noch einige Zeit ein Böller-Schütze aus St. Goarshausen. Geladen wurde damals übrigens mit dem Maß eines „Wein-Probiergläschens“, verdämmt mit den Blättern einer bekannten deutschen Tageszeitung, die auf der Titelseite gerne leicht bekleidete Damen präsentiert. Gerade diese erste Seite soll nach mündlicher Überlieferung besonders laut geknallt haben.

Es dauerte bis zum Jahr 2004, als die verschwundenen „Katzeköpp“ schließlich unter einem Schutthaufen im heutigen Bürgerhaus wieder entdeckt wurden. Im Gemeinderat fiel schnell der einstimmige Beschluss das alte Brauchtum neu zu beleben, und die Böllerkanonen wieder in Betrieb nehmen zu lassen. Die damit verbundene Beschuss-Prüfung beim Beschussamt im Mellrichstadt „überlebten“ zwei Kanonen leider nicht. Nach einigem Suchen konnten aber zwei gleichartige Stücke erworben werden. Und so haben  die „Katzeköpp“ seit der 1250-Jahrfeier im Jahr 2005 in Kestert wieder einen festen Platz im dörflichen Geschehen. Über 200 Mal sind sie seitdem in Aktion getreten. Ich denke damit hätten die mehr als 150 Jahre alten Kanönchen auch nicht mehr gerechnet.

Ich jedenfalls freue mich immer wenn ich sie höre. So verkündet ihr Knallen bei weitem kein kriegerisches Tun, sondern viel mehr ein gesellschaftliches Ereignis in der kleinen Rheingemeinde Kestert. Und gefeiert wird hier sehr gerne.

In diesem Sinne… Ich hoffe Sie bleiben mir treu.

Ihr Leijemöbbesje    

Heimatverein Kestert 2015 e.V.