„Et Laijemöbbesje erzählt“
"Die Kesterter Nachbarschaften“
Gude ihr Leut,
wenn in den ersten Wochen des neuen Jahres laute Schläge von Böllern durch die Gassen unserer kleinen Gemeinde hallen, dann handelt es sich nicht etwa um ein verspätetes Silvesterfeuerwerk, vielmehr ist es ein Zeichen dafür, dass in Kestert die alljährlichen Nachbartage gefeiert werden. Seinen Ursprung hat dieser Brauch in der dunklen Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Eine schwere Pestepidemie suchte damals den durch Kriegshandlungen und Plünderungen verwüsteten Landstrich am Mittelrhein heim. Fast alle Bürger der bereits stark dezimierten Einwohnerschaft fielen der heimtückischen Krankheit zum Opfer. Die Überlebenden versprachen in einem feierlichen Gelöbnis als Dank für ihre Errettung alljährlich in der Woche vor Fastnacht in den Nachbarschaften des Ober-, Mittel- und Unterdorfes zusammen zu kommen, um jedes Jahr aufs Neue nach Schlichtung jeglichen Streites ein auskömmliches Miteinander zu suchen, und gemeinsam zu feiern. Die gegenseitige Hilfe in der Not, und die Führsorge für alte und kranke Nachbarn ist seit jeher Bestandteil des Selbstverständnisses der Kesterter Nachbarschaften.
Über viele Jahrhunderte hat sich diese gegenseitige Hilfe bewährt. Zahlreiche Hochwasser, Unwetter, Brände und Schicksalsschläge haben den Zusammenhalt der Dorfbevölkerung gestärkt. Und noch heute begehen die Einwohner der jeweiligen Nachbarschaften die gemeinsamen Feierlichkeiten jedes Jahr aufs Neue.
Während früher neben dem gemeinsamen Kirchgang auch Tanz und Frohsinn aller Art zu den Nachbarschaftsfeiern gehörte, geht es dort heute etwas ruhiger zu. Der Rückgang der Einwohnerzahlen, welcher neben vielen anderen Rheingemeinden auch Kestert nicht verschont hat, hat dazu geführt dass die Nachbartage heute nicht mehr in dem Maße besucht werden wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Umso wichtiger ist es, dass diese Tradition auch heute noch erhalten wird. Denn die gegenseitige Hilfe und die Aussöhnung von Streit und Missgunst sind auch in unseren Tagen für den Zusammenhalt einer dörflichen Gemeinschaft unverzichtbar.
Umso mehr erfreut es mich jedes Jahr wieder, wenn ich in meiner Laijemöbbesje-Wohnung in der alten Wingertsmauer die trocknen Schläge der „Katzeköpp“ vernehme. Denn sie zeigen mir, dass auch manch alte Tradition heute noch ihre gute Berechtigung hat, und erhalten wird.
In diesem Sinne. Ich hoffe Sie bleiben mir treu.
Ihr Laijemöbbesje